Atlas der Datenkörper
Die Macht der Körperbilder
Geräte sammeln Daten, Daten erzeugen Bilder, Bilder werden zu Normen und definieren dadurch, was als gesund und krank verstanden wird. Der „Atlas der Datenkörper“ forscht durch die Entwicklung neuer Apparaturen zur Körpervermessung nach alternativen Bildern. Auf diese Weise wird die Autorität von Fitnesstrackern, Quantify-Self und Co. hinterfragt.
1. BIOFLUIDATOR
Der erwachsene menschliche Körper besteht im Durchschnitt zu 70 % aus Wasser. Trinken ist zugleich überlebenswichtig und beeinflusst stark das Wohlbefinden. Dieses Gerät ermittelt durch zwei unterschiedliche Erhebungsverfahren den Wasseranteil im Körper: Auf der einen Seite durch das digitale Bioimpedanzverfahren und auf der anderen Seite, auf Grundlage des eigenen Körpergefühls. Das Projekt stellt auf diese Weise die grundsätzlich höhere Autorität der zahlenbasierten Messung in Frage und appelliert für ein gesteigertes Vertrauen auf das subjektive Urteil in Bezug auf den eigenen Körper.
Ablauf der Messung
Biofluidator
- Auf die Körperanalysewaage stellen
- Digitalen Wert ablesen
- Eigenes Körpergefühl mittels Fragebogen ermitteln
- Analoge Übertragung zu Menge in Wasser
Der BIOFLUIDATOR erzeugt diverse Körperbilder, welche durch die Visualisierung in Form der Licht-Wasser-Reflexionen entstehen. Das Projekt macht deutlich, dass die Methoden rund um Körpermessung, Körperdatenerfassung und die daraus resultierenden Körperbilder grundlegend konstruiert sind. Auf diese Weise wird die „ultimative Autorität des Digitalen“ in Frage gestellt und ein ganzheitlicher Ansatz für den menschlichen Körper geschaffen. Es ist eine selbstermächtigte „Technologie“ für ein vorgeschlagenes und gesteigertes Körperbewusstsein.
BIOFLUIDATOR ist ein Projekt von Ann-Kristin Jakubek.
2. WEARABLE MOVEMENT TRACKER
Express yourself! Der WMT (Wearable Movement Tracker) übersetzt Bewegung live in Bilder. Jeder Körper bewegt sich individuell und erzeugt eine für ihn charakteristische Visualisierung. Das Projekt zeigt die Verbindung zwischen Körperlichkeit und Ausdruck auf. Der WMT fördert so das Bewusstsein für die Fähigkeiten, auf dieser Grundlage zu kommunizieren und sich anderen Menschen mitzuteilen.
Ablauf der Messung
- Das Gerät wird an eine Extremität des Körpers geschnallt.
- Eine Aktivität (Tanzen, Sport usw.) wird ausgeführt.
- Während der Aktivität wird die Bewegung visualisiert.
Das Projekt beschäftigt sich mit unterschiedlichen Körperlichkeiten und der Frage, wie sich diese dokumentieren lassen. Das Körperbild, welches durch den WMT entsteht, ist ein stark individuelles und expressives. Das durchsichtige Gehäuse des Gerätes verweist dabei auf eine spannende Ambivalenz. Einerseits wird die Elektronik sichtbar gemacht und stellt so Transparenz her. Andererseits schafft das zentrale in Szene setzen eine besondere Form der Autorität.
Wearable Movement Tracker ist eine Projekt von Juan Rubiano.
3. VALYOU
Was bin ich wert – bin ich was wert? Und wenn ja, für wen? Endlich gibt es auf diese Fragen eindeutige, wenn auch augenzwinkernde Antworten! VALYOU ermittelt durch das Einführen der Hand in die Messapparatur einen eindeutigen Messwert von 1 bis 12, aus dem sich der individuelle Wert für die Gesellschaft ablesen lässt.
Ablauf der Messung
- Hand einführen.
- Warten/Auslesevorgang
- Quittung erhalten und anhand der Ergebnisse Wert bestimmen.
Das durch VALYOU mitgeteilte Ergebnis stellt die konventionellen Bewertungssysteme- und Kriterien von Körperdaten in Frage. Die Frage nach dem ‚persönlichen Wert‘ reicht dabei über die Bewertung des Körpers selbst hinaus bis in ethische Dimensionen hinein. Es ist die Verkettung von Informationssammlungen, Bewertungssystemen und Entscheidungsgewalten, welche durch VALYOU letztendlich sichtbar gemacht sowie kritisch hinterfragt wird. Was bedeutet die Aussage einer Apparatur, dass ich nichts wert bin? Wie kommt es zu diesem Wert? Und: Welche Konsequenzen hat das Ergebnis? VALYOU konfrontiert uns mit einem Gefühl der Unsicherheit, welches zeitgleich die eigentliche Chance ist, unser aktuelles Verhältnis zu Daten, Körpern und Wertesystemen neu zu konfigurieren.
VALYOU ist ein Projekt von Cora Groos.
4. THERMOSOM
Unterschiedliche Wärmebereiche bestimmen deinen Körper. Mit dem THERMOSOM können verschiedene Regionen des Körpers simultan gemessen und wie auf einer Landkarte dokumentiert werden. Unterschiedliche Aktivitäten wie Bewegung oder Schlaf beeinflussen die Wärmeentwicklung und lassen sich mit dem Gerät nachzeichnen. Das THERMOSOM zeigt auf diese Weise die Wandelbarkeit und Fluidität des Körpers.
Ablauf der Messung
- Die Temperaturfühler werden an den Extremitäten des Körpers platziert.
- Die Messung läuft während einer bestimmten Aktivität und wird über das Arduino-Board aufgezeichnet.
- Über einen PC wird die Messung auf einem 3D-Avatar visualisiert, und die Entwicklung der Körpertemperatur als Video gezeigt.
Das THERMOSOM stellt dar, dass sich der menschliche Körper durchgehend im Wandel befindet, er situativ reagiert und sich anpasst. Messungen über den Körper stellen in der Regel nur Momentaufnahmen dar. Dieses kann aber schnell übersehen werden, und die Messung als ein homogener Zustand und der Körper als statisch begriffen werden. Das Projekt stellt sich gegen diese Form des Körperbildes, indem dieser durchgehend als im Wandel bestehend gezeichnet wird.
THERMOSOM ist ein Projekt von Martin Salek.
5. EMOVI
Lassen sich Gefühle messen? EMOVI misst deine Gehirnwellen (Alpha-, Beta-, Delta-, Gammawellen) und die Gehirnaktivität. Anhand einer angelernten KI können die gemessenen Daten hinsichtlich der von dir erfahrenen Emotion ausgelesen werden. EMOVI visualisiert dabei die Orte der Auswirkung der Emotionen im Körper – genauer: in den Organen.
Ablauf der Messung
- Die Gehirnwellen werden mit einem EEG-Gerät gemessen.
- Klassifizierung der Gehirnaktivitäten in Emotionszustände und Analyse anhand KI.
- Organe werden in den Farben der Emotionstheorie angestrahlt.
Die Organe, in denen die Emotionen ankommen, werden farbig angestrahlt. Die Intensität der Farbe stellt hierbei die Stärke der Emotion dar. Die Visualisierungsform der schwarzen Box von EMOVI steht für die ungreifbaren und unerkannten Emotionen. Durch die Lichter wird ein Schatten des Organs erzeugt, der durch die Emotionen beeinflusst wird. Die Schatten verdeutlichen die Unantastbarkeit und die nicht greifbaren Auswirkungen, die durch Emotionen im Körper entstehen. EMOVI trägt dazu bei, die Wahrnehmung des ganzheitlichen Gesundheitszustandes, der den Körper mit der Psyche verbindet, durch die Sichtbarmachung (versteckter) Emotionen aus den Gehirnwellen zu steigern.
EMOVI ist ein Projekt von Henrieke Fritz.
6. LITTLE ANIME
Der Atem: unsichtbar und doch präsent – seit Corona ist er uns unheimlich oder suspekt geworden. LITTLE ANIME misst und visualisiert, was uns am Leben hält und beunruhigt. Durch verschiedene Sensoren, welche in einer Plexiglaskonstruktion untergebracht sind, wird der menschlichen Atem kartographiert.
Ablauf der Messung
- Der Mund wird auf die Öffnung im Plexiglaskasten platziert.
- Über einen Zeitraum von 30 Sekunden wird tief in den Kasten hineingeatmet.
- Das Gerät übersetzt die Daten in eine 3D-Visualisierung.
Das von LITTLE ANIME produzierte Ergebnis ist eine individuelle Kartografie des menschlichen Atems. Dabei verschränken sich spirituelle Überlegungen zur Verknüpfung von Atem und Seele sowie der objektive Ansatz, eine Möglichkeit zu schaffen, den Atmen selbst zu erfassen und zu visualisieren. Das Projekt gewinnt in Bezug auf das Pandemiegeschehen der vergangenen Monate an zusätzlicher Aktualität und Relevanz. So hat sich unser kollektives Gedächtnis in Bezug auf den Vorgang des Atmens gewandelt und changiert mehr denn je zwischen konkreter Datenerfassung und abstrakten und emotionalen Interpretationen. Durch seinen künstlerisch/gestalterischen Anspruch schafft LITTLE ANIME ein Format, uns diesem Spannungsfeld und den meist unsichtbaren Körperdaten des menschlichen Atems zu widmen.
LITTLE ANIME ist ein Projekt von Eirini Kokkinidou.
Die Ausstellung ist Teil des Design und Kunst-Forschungsprojektes Atlas der Datenköper von Marlene Bart und Johannes Breuer.
Das Ausstellungsdesign wurde von Julia Rückeis übernommen.
Die Exponate sind das Ergebnis eines Seminars von Marlene Bart und Johannes Breuer. Dieses wurde finanziert durch den Förderfonds Bauhaus.Module der Bauhaus-Universität Weimar. Die Mentorenschaft für das Seminar wurde von Prof. Dr. Alexandra Toland übernommen.
Die Ausstellung wird gefördert durch den Kreativfonds der Bauhaus-Universität Weimar.