Likeness studio

Textil- und Material-Design der weißensee kunsthochschule berlin

Der Zukunft neue Kleider

Kaufen – benutzen – wegwerfen. Das ist oft genug das Los vieler Produkte unserer Zeit. Besonders Textilien haben dabei riesige Auswirkungen auf Klima und Umwelt. Student*innen des Studiengangs Textil- und Material-Design der weißensee kunsthochschule berlin haben darüber nachgedacht, wie sich das ändern lässt.

Likeness studio

Jetzt mal ganz ehrlich: Wie viele Kleidungsstücke habt ihr euch in letzter Zeit gekauft? Wenn es vier bis fünf im letzten Monat waren, liegt ihr genau im Durchschnitt. Das macht etwa 60 Klamotten im Jahr. Ganz schön viel, oder?

Kein Wunder, dass die Herstellung von Textilien gravierende Auswirkungen hat. Eine Analyse der europäischen Umweltagentur von 2022 zeigt, dass wir pro Kopf allein für unsere Kleidung – Schuhe und Haushaltstextilien nicht eingerechnet – etwa 156 Kilo Rohstoffe, 25.600 Liter Oberflächen-, Grund- und Regenwasser und 172 Quadratmeter Landfläche verbrauchen.

Von den Unmengen Treibhausgasen und der kaum zu verantwortenden Situation derjenigen, die in den Lieferketten beschäftigt sind, ganz zu schweigen. Und dann liegt die schicke Hose, die es doch nicht zum Lieblingsstück geschafft hat, vergessen in den Tiefen des Kleiderschrankes.

Höchste Zeit also umzudenken. Erste Initiativen, vor allem kleinere Labels, stellen auf eine umweltfreundlichere Produktionsweise und fair produzierte Materialien um. Innovationen und Lösungen werden vor allem an Hochschulen und Instituten gesucht – wie der Weißensee Kunsthochschule Berlin. Sieben Projekte aus dem Studiengang Textil- und Material-Design zeigen, wie es in Zukunft gehen kann – und machen auch gleich Vorschläge für Folien und Verpackungsmaterial.

Regenfest in Alge

Was wäre, wenn wir aus der Not eine Tugend machen, hat sich Malu Lückung gefragt. Farb- und Chemikalienreste der Textilindustrie gelangen oft genug ins Wasser und zerstören das ökologische Gleichgewicht. Ein unkontrolliertes Algenwachstum ist die Folge. Und das lässt sich nutzen. Das Projekt „Cladophora“ erntet die gleichnamige Alge aus Berliner Seen und Flüssen und verarbeitet sie zu Stoffen und biologisch abbaubarem Plastik. Der schicke Mantel, der dabei einstanden ist, ist laufstegtauglich und hält auch noch den Regen ab.

In Schale geworfen

Warum wegwerfen, wenn es sich doch verwenden lässt? Mit ihrem Projekt „Peelsphere“ nutzt Youyang Song Obstabfälle wie Bananen- oder Orangenschalen. Sie stellt daraus Material her, das sich weiterverarbeiten, bedrucken und besticken lässt. Sogar die Oberflächenstruktur ist formbar. Außerdem ist es vollständig kreislauffähig – kann also beliebig oft wiederverwendet werden.


Gut verpackt

Algen sind hervorragend geeignet, um daraus etwas Neues herzustellen. Juni Sun Neyenhuys fertigt Verpackungsmaterialien aus Braunalgen, die sich nach dem Gebrauch rückstandfrei zersetzen. Das „Mujō“ betitelte Projekt schafft so ein zirkuläres System und sorgt dafür, dass unsere Verpackungen von heute nicht der Müll von morgen werden. Der entscheidende Vorteil des Rohstoffes: Braunalgen wachsen frei im Meer, müssen also nicht extra angebaut werden. Und sie produzieren Sauerstoff und reinigen die Meere.

Des Apfels Kern

Wie Youyang Song setzt auch Verena Brom auf Fruchtreste. Für „A Matter of Fruit” verwendet sie pflanzliche Rückstände, sogenannte Trester, die bei der industriellen Produktion von Fruchtsäften anfallen. Allein beim Apfelsaft entstehen hierzulande 200.000 Tonnen Trester. Daraus lässt sich doch etwas machen! Aus dem reichlich vorhandenen Rohstoff werden biologisch abbaubare Folien hergestellt – eine visuell und haptisch überzeugende Alternative zu den erdölbasierten Gegenstücken. Und bedrucken und vernähen lassen sie sich auch noch!

Farbe statt Rausch

Was wäre das Leben ohne Farbe? Doch gerade künstliche Farbstoffe sind oft giftig, krebserregend und umweltschädlich – kurz: Sie sind ein Problem. Neue müssen also her. Birke Weber und Friederike Hoberg erforschen mit „MycoColors“ das Färben von Textilien mit Pilzen. High wird man dabei nicht, aber der Farbrausch ist vielversprechend. Egal ob knallgelb oder Blutrot – die Pilzfarbstoffe sind eine bunte Alternative zu herkömmlichen Farben.

Bis auf den letzten Faden

„Restless Textiles“ von Lobke Beckfeld recycelt Faserreste aus der Textilherstellung. Dafür werden sie experimentell untersucht und mit verschiedenen Techniken zu hochwertigen Stoffen ganz unterschiedlicher Art verarbeitet. Reste werden wertvolle Rohstoffe, die Nutzungsdauer der Textilien kann sich bis auf das Dreifache verlängern. Wenn das nicht schick ist!

Aus alt mach neu

Urban Fibers“ von Tau Pibernat und Vera Castelijns gewinnt Garne aus ausrangierter Baumwollkleidung. Das Projekt soll helfen, eine nachhaltige, umweltfreundliche lokale Textilproduktion aufzubauen. Die Garne sind auf die vor Ort vorhandenen Web-, Strick- und Flechtmaschinen abgestimmt, sodass sie von den lokalen Textilproduzenten problemlos genutzt werden können. Aufs Färben wird verzichtet, das minimiert den Einfluss auf die Umwelt – und macht das Ganze noch unkomplizierter.

Urban Fibers